Troja

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Eine Warnung

 

Ich habe „Troja“ gesehen, und ich möchte mich an dieser Stelle für diesen Film schämen und davor warnen dürfen, vor allem da es sonst keiner zu tun scheint. Was ist bloß dran an diesem Film, den sogar „Neues Deutschland“ empfiehlt? Wie haben es die Macher dieser seit Jahren schlechtesten Adaption eines (guten) Originaldrehbuches bloß geschafft die Feuilletons dieses Landes auf ihre Seite zu ziehen? Was haben 200 Millionen Dollar vielleicht damit zu tun? Nach drei Stunden und einigen Tagen Bedenkzeit muss ich sagen: ich weiß es nicht!

Brad Pitt spielt als hätten ihm die neugewonnenen Muskelpakete in der Artikulation einer den Umständen entsprechenden Gestik und Mimik beraubt. Etwas von Conan liegt unheilvoll über seinem Auftritt. Warum muss Orlando Bloom ausgerechnet Paris, nicht nur Königssohn, sondern auch ein hervorragender Bogenschütze (schlecht) spielen? Und warum sollten wir glauben, dass er für eine Frau wie Helena sterben würde, wenn diese von Diane Krueger so unsäglich blass, nichtssagend und belanglos gespielt wird?

Glücklicherweise bleibt die mies agierende Schauspielerschar nicht allein verantwortlich für den Untergang Trojas. Glücklicherweise sind die Schlachten so schlecht choreographiert, dass man sich wünschen würde, Wolfgang Petersen hätte vorher wenigstens einmal „Herr der Ringe“ gesehen, was er offensichtlich nicht hat. Und glücklicherweise ist die Kamera in ihrer Position als Beobachter und Beteiligter so unbeständig, hier statisch inmitten der Schlacht, dort als getriebenes Opfer bei der Brandschatzung Trojas, mal auf Bodenhöhe, mal in der Luft, dass einem ganz schwindelig wird. Und die special-effects sind manchmal so einfach, dass es eine wahre Freude ist. Fast so einfach wie die Filmmusik, die fast nie zu dem passt was man sieht, aber immer so klingt als hätten sich die schlecht orchestrierten Posaunen von Jericho in der Stadt geirrt.

Natürlich wissen wir alle um den Unterschied zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit. „Troja“ zum Beispiel erzählt in gut drei Stunden die Geschichte von gut zwölf Tagen. In der Ilias dauert der ganze Spaß allerdings zehn Jahre. Was macht Wolfgang Petersen nun um die Authentizität zu wahren? Er führt die gefühlte Zeit ein! Und das mit soviel Bravour, dass man sich am Ende tatsächlich um zwölf Jahre gealtert meint.

Nicht zu vergessen die Kulisse, denn immerhin haben wir ja alle irgendwelche Vorstellungen vom sagenhaften, uneinnehmbaren Troja. Was aber bekommt man geboten für 200 Millionen Dollar? Ein ziemlich großes Tor und eine ziemlich hohe Mauer. Ansonsten sieht alles so aus als wären übriggebliebene Requisiten und Kulissenteile aus alten Sandalenfilmchen wiederverwendet worden. Einzig das berühmte trojanische Pferd vermittelt etwas von dem das da hätte sein können. Nur: um das Pferd geht es ja nicht.

Es geht einzig und allein um Brad Pitt, seine Muskeln und seinen Arsch.

Und wäre nicht gerade George W. Bush Präsident der USA, und wären diese nicht gerade in einen zweifelhaften Konflikt nach einem zweifelhaften Krieg verwickelt, und wären Gier und Machtstreben und die Unverhältnismäßigkeit in der Wahl der Mittel in diesem Zusammenhang nicht gerade exemplarisch demonstriert worden, jeder würde „Troja“ vor eben diesem Hintergrund betrachten und besprechen. So aber scheint es als sei alles schon einmal da gewesen, als wiederhole sich Geschichte und als bedürfe es der Auseinandersetzung mit den klassischen Vorbildern um vielleicht daraus etwas zu lernen über die Gefahren, die Tragödien, die Helden und über die Bösen, die so entstehen.

Es ist schade, dass diesem Film eine solche Aufmerksamkeit zuteil wird, denn er hat sie nicht verdient.

Und es ist schade, dass Eric Bana und Peter O`Toole hier ihr Können verschleudern. Und es ist vor allem Schade, dass alle Brad Pitt loben werden für seine „Schauspielkunst“ und Wolfgang Petersen für seine „Regiekunst“. Es ist schade um soviel Geld, für das man 25 Millionen Reclambände „Die Ilias“ hätte kaufen und es der Phantasie der Leser hätte überlassen können was passiert.

Es ist vielleicht gut, dass der ein oder andere es jetzt sowieso tut. Ob aus Begeisterung oder aus Verzweiflung – auch hier heiligt der Zweck die Mittel. Oder um es mit einem schönen Sprichwort zu sagen: man muss manchmal durch ein tiefes Tal gehen um auf einen hohen Berg zu gelangen.

In diesem Fall ist der Preis außerordentlich hoch und jeder möge selbst entscheiden ob er es ihm Wert ist. Aber wenigstens kann jetzt keiner mehr sagen man hätte ihn nicht gewarnt.

 

(kes)

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