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“Happiness is a warm gun” von Thomas Imbach

  

Sie hysterisch? Er unangemessen im Casino-Ton?

 

Startende Flugzeuge, landende Flugzeuge. Anhalten am Finger, der sich der Form des Flugzeugs wie ein Rüssel anpaßt. Startende und landende Flugzeuge. Manchmal nur rasante Lichtspuren. Horizontale Rolltreppen. Gänge, alles in Glas. Säulen. Verschiedene Ebenen. Mal menschenleer, mal nicht. Im Pyjama und mit einem Loch an der linken Schläfe bewegt sich die jugendliche Dame durch den Transitbereich. Hysterisch fordert sie, hinausgelassen zu werden. In der Schweiz geht es auf dem Flughaufen autoritär zu. Sie darf einen Anruf tätigen und erreicht ihren Lebengefährten. Der wundert sich. Er hat sie schließlich erschossen. Daher das Loch.

 

Zehn Jahre nach ihrem Tod treten Petra Kelly und Gert Bastian in die Gegenwart. Auf der Durchreise.

 

Der bieder gekleidete Mann darf zur Dame im Pyjama. „Petilein – Petilein“ – „Sie dürfen sie hier nicht festhalten, das verstößt gegen die Menschenrechte. ... Nein, wir kämpfen!“ Der Mann, älter als seine Lebensgefährtin, nimmt alles in die Hand. Sie finden sich wieder in einem fensterlosen Zimmer. Wie fixiert sie auf einander sind, wird immer deutlicher, von Minute zu Minute. Eng umschlungen halten sie sich.

 

Es ist der Ton, in dem sie sprechen. Vor allem sie. Lebendig, akzentuiert, polemisch, politisch – selten gehört in unseren Tagen. Er reagiert ruhig, ohne wirklich auf sie einzugehen. Findet wirklich ein Gespräch statt oder geht sie nur auf ihn ein?

 

Thomas Imbach läßt Linda Olsansky und Herbert Fritsch improvisieren. Finden „Petra“ und „Gert“ einen echten Umgang miteinander? Könnte es so gewesen sein, wenn sie alleine waren? Nichts Genaues weiß man nicht genau. Aber wenn Ausschnitte von authentischen Bundestagsreden, aus Fernsehinterviews und beiläufige Aufnahmen von öffentlichen Veranstaltungen in das Dokumentarspiel eingefügt werden, dann ist zu merken, auf welchem schmalen Grad Olsansky und Fritsch sich bewegen. Sie treffen die Tonlage. Was und wie sie politische Gedanken formulieren, ist hingegen unglaubwürdig. Es ist ein Anachronismus. Der kämpferische Idealismus hat sich überlebt. Friedensbewegte Aussagen werden aus der öffentlichen Darstellung ferngehalten. Eher kalt und rational, höchstens zur Selbstinszenierung energisch und in Wallung. – Joseph Fisch als Gegenbild von Petra Kelly. Linda Olsansky schafft es hierbei, den Reiz von Petra Kelly herauszustellen. Ist es verbürgt, welche Wirkung sie hatte? „Charisma“ sagt man ihr nach und „Liebling der Medien“ gewesen zu sein.

 

Die beiden wie jugendliche Liebhaber. Von den Stimmungen des anderen abhängige Kinder. Petra mit Mobiltelephon. Petra und Gert im Smart. Fahrt ins Grüne. Gespräche mit sich und mit der Kamera. Gert über sein Verhältnis zu Petra. Ausgerufene, geschrieene Aussagen. Im Transitbereich Kontakt mit den „üblichen“ Insassen, den rechtlosen Asylbewerbern. Zwischenstation ins Jenseits. Petra Kelly, die sich ihrer anzunehmen versucht. (Hätte es einen Asylkompromiß mit ihr gegeben?) Kriechen über Moos, nackt. Gespräche mit einem jugendlichen Liebhaber in einem ebenfalls fensterlosen Zimmer. Flug zu einer Veranstaltung. Gert Bastian, der schon vorher über das Hotel schimpft. Und darüber, daß sie Business Class fliegen müssen: „Wir sind doch nicht irgendwelche Landtagsabgeordneten.“ Petra, die mit ihrer Mutter auf dem Flughafen herumalbert und mit Gepäckwagen um die Wette fährt. Petra und Gert, die durch den Transitbereich tanzen.

 

Das Gleichgewicht, die Balance verloren. Nein, so waren sie ganz bestimmt nicht. Gerade er nicht. Vom ganzen Gestus General. Doch bei so vielem treffen Olsansky und Fritsch den Nerv.

 

Und nochmals die Sprache. Die Schauspieler steigern sich hinein.

 

„Irgendwann mal gegen Schluss hatten wir wirklich so eine Sprache entwickelt, Herbert und ich, dass ein Kontakt zur Aussenwelt nicht mehr möglich war.“

 

(Max Bornefeld-Ettmann)

 

 

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