Potsdam und die Bombe

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Die Rolle der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen 1945 im Zusammenhang mit der Entscheidung zum Einsatz der Atombombe

 

 

Inhalt

 

 

  • Einleitung

 

  • Hauptteil

 

    • Vor Potsdam
      • Roosevelts Politik gegenüber der Sowjetunion
      • Ein neuer Präsident
      • Die Verzögerungstaktik

 

    • Die Potsdamer Konferenz
      • Trinity
      • Trumans Politik gegenüber der Sowjetunion
      • Hiroshima, Nagasaki und der Eintritt der Sowjetunion in den Krieg

 

  • Fazit/Schluss

 

 

  • EINLEITUNG

 

In der Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen – zumindest derer im 20. Jahrhundert – steht der Einsatz der Atombomben, ihr Abwurf über Hiroshima und Nagasaki am 6. bzw. 9. August 1945 und die damit verbundene, hunderttausendfache Vernichtung von zivilem Menschenleben, wie ein Solitär.

Nie zuvor – und nie danach – wurden Atomwaffen eingesetzt.

Und doch waren es vielleicht gerade diese beiden Tage im August 1945, die die Geschichte der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts vorbestimmt und geprägt haben, wie sonst kein anderes Ereignis.

Bei der Betrachtung der Folgen dieses Ereignisses darf man aber keineswegs den Entscheidungsprozeß außer Acht lassen, der zum schließlichen Einsatz der Bomben führte.

Die wichtigen Fragen sind daher, welches die ausschlaggebenden Motivationen für den Einsatz der Atombombe waren, bzw. was die Entscheidungsträger zu jenem Zeitpunkt über die Notwendigkeiten des Einsatzes wussten oder nicht wussten.

In der Wissenschaft wurde und wird ein großes Spektrum an möglichen Begründungen diskutiert. Dies allein zeigt schon, dass nicht allein der amerikanische Wille nach einer schnellstmöglichen Beendigung des Krieges auch in Asien ausschlaggebend gewesen sein kann.

Über die Frage nach der Notwendigkeit herrscht seit einiger Zeit dabei Einigkeit darin, dass schon vor Anfang August 1945 allen Beteiligten bekannt sein musste, dass der Sieg über Japan nicht mehr abhängig war vom Einsatz dieser Waffe.

Bei der Beantwortung der spannenderen Frage, nämlich der nach der Motivation es trotzdem zu tun, reicht die Bandbreite dagegen von innenpolitischen  Beweggründen, verbunden mit der Notwendigkeit die zur Entwicklung der Bombe benötigten zwei Milliarden Dollar zu rechtfertigen, über Rassenhass gegenüber dem japanischen Volk, bis zur Theorie nach der es gleichsam eine evolutionäre Notwendigkeit in der Entwicklung der Luftwaffe im 20. Jahrhundert – insbesondere der schwerer Bomber – war, die zum Einsatz der Atombombe führte.

Ein weiteres Erklärungsmodell beschäftigt sich mit den wachsenden diplomatischen Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion in Fragen der Nachkriegsordnung vor allem in Osteuropa.

Diese Spannungen waren vor allem mit Beginn der Präsidentschaft Trumans offensichtlich geworden und fanden ihren vorläufigen Höhepunkt schließlich bei der Konferenz von Potsdam, nicht zuletzt, wie dieses Erklärungsmodell vermutet, weil der Präsident sich durch die Nachricht über den erfolgreichen Test der ersten Atombombe in New Mexico am 16. Juli 1945 in einer völlig neuen Position der Stärke befand.

Diese Arbeit möchte, diesem Erklärungsmodell folgend, die Entwicklung in den amerikanisch-russischen Beziehungen, beginnend mit den letzten Wochen der Amtszeit Roosevelts,  darzustellen versuchen. Mehr als ein einführender Überblick ist hierbei allerdings in der geforderten Kürze nicht möglich. Für eine tiefergehende Beschäftigung mit dieser äußerst komplexen Materie sei auf das Literaturverzeichnis und die Bibliographie  verwiesen.

      

 

        • Kai Eric Schwichtenberg, Münster, 26. Juli 2004

         

  • HAUPTTEIL

 

    • Vor Potsdam

     

      •  Roosevelts Politik gegenüber der Sowjetunion

Die Politik Roosevelts gegenüber der alliierten Sowjetunion war  in den Wochen nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands in erster Linie geprägt durch die gemeinsame Freude über den errungenen Sieg.

Für wenige Tage prägte diese Euphorie das Miteinander der Alliierten, doch schon bald wurden auch die ersten Misstöne hörbar, vor allem im Bezug auf die europäische Nachkriegsordnung. Die Konferenz von Jalta hatte hierzu zwar Ergebnisse erbracht, „keiner der Regierungschefs legte das etwas unklare Abkommen [aber] in der gleichen Weise aus“. Während Churchill auf einen wachsenden westlichen Einfluss drängte, forderte Stalin verständlicherweise das Gegenteil. Roosevelt sah sich mit seiner Politik der Zusammenarbeit nun also zwischen diesen Fronten und versuchte die beiden Seiten durch Überzeugung und Beschwichtigung  zu Zugeständnissen, vor allem in der strittigen Frage einer neuen polnischen Regierung, zu bewegen, um so vielleicht eine Musterlösung für die Ost-West-Beziehungen aufzuzeigen.

Außerdem stand für die amerikanisch-russischen Beziehungen noch immer auch die Bewährung im Krieg gegen Japan bevor. Stalin hatte den Eintritt der Roten Armee in den Krieg in der Mandschurei für Mitte August, drei Monate nach der deutschen Kapitulation, angekündigt, und sowohl die politischen wie auch die militärischen Befehlshaber beider Staaten waren sich einig, dass so der Krieg in Asien zu einem schnellstmöglichen Ende gebracht werden konnte. Diese Einigkeit wurde in Jalta durch ein geheimes Zusatzabkommen über die Forderungen gegenüber Japan (z.B. bezüglich einer bedingungslosen Kapitulation), den Kriegeintritt Russlands und die damit verbundenen Konzessionen untermauert.

 

 

      •  Ein neuer Präsident

Mit dem Tod Roosevelts und der Amtseinführung Harry S. Trumans als 33. Präsidenten der Vereinigten Staaten am 12. April 1945  sollte sich das diplomatische Verhältnis der USA gegenüber der alliierten Sowjetunion entscheidend verändern.

Zwar fühlte sich Truman in den ersten Tagen seiner Amtszeit noch in der Tradition seines Vorgängers verpflichtet, gegenüber Russland mit „wachsamer Ruhe“ zu handeln, und stellte sich damit ausdrücklich nicht nur gegen die Haltung Churchills, sondern auch gegen die seiner Berater wie Marshall, Stimson und Byrnes, sehr bald aber sollte sich diese Einstellung, vielleicht unter dem Eindruck des wachsenden Einflusses der Berater, drastisch ändern.

War bisher eine Kooperation zwischen den beiden Staaten, oder jedenfalls eine Verständigung auf Grundzüge vor allem in Bezug auf die Nachkriegsordnung in Europa, vorherrschende Politik, so zeigte sich Truman bald, in erster Linie mit Blick auf die Ergebnisse der Konferenz von Jalta, unzufrieden mit der amerikanischen Verhandlungsposition und den Unzulänglichkeiten die seiner Meinung nach die vorhergehenden Vereinbarungen mit Stalin aufgebracht hatten.

Vor allem in den Fragen einer Reorganisation der polnischen Regierung wie sie in Jalta beschlossen worden war und in Bezug auf die Besatzungslage in Deutschland erschienen ihm die erreichten Übereinkünfte als zu schwammig und für eine konkrete politische Handhabe und Durchsetzung unbrauchbar. Truman entschloss sich also, sich von der vermittelnden Rolle, die Roosevelt in diesen Konflikten gespielt hatte, abzuwenden, und sich mit einer harten Haltung gegenüber der Sowjetunion auf die Seite Churchills zu stellen.

In der Konsequenz dieses Politikwechsels ging es nun darum, Stalin durch eine direkte Konfrontation die amerikanische Einstellung unmissverständlich klar zu machen, und ihn so dazu zu veranlassen, seine starke und scheinbar unnachgiebige Machtposition im Osten Europas und in der sowjetischen Zone Deutschlands an die Vorstellungen der westlichen Alliierten anzunähern.

Das Druckmittel erster Wahl waren mögliche Wirtschaftssanktionen gegenüber dem in dieser Hinsicht am Boden liegenden Russland, das zwar zu den politischen, respektive militärischen Siegern des Zweiten Weltkrieges gehörte, infrastrukturell und wirtschaftlich jedoch zerstört und zu einem Wiederaufbau aus eigener Kraft nicht in der Lage war.

Entgegen seiner Vermutungen, zeigte sich die sowjetische Regierung allerdings bei der Annahme der amerikanischen Forderungen unnachgiebig, selbst Gespräche auf höchsten Regierungsebenen führten nicht zu den von Truman und seinen Beratern - hier zu nennen sind vor allem der damalige Kriegsminister Henry L. Stimson, der stellvertretende Außenminister Joseph C. Grew und Averell Harriman, der Botschafter der USA in der Sowjetunion, die eine führende Rolle in der Ausarbeitung dieser Strategie hatten - erhofften und vielleicht sogar erwarteten Ziel.

Abermals drängte sich zu diesem Zeitpunkt (d.h. ca. Mai 1945) die Notwendigkeit eines baldigen Treffens zwischen den drei Führern der Allianz auf die Tagesordnung.

 

 

      •  Die Verzögerungstaktik

Eine Entwicklung aber verschaffte dem amerikanischen Präsidenten schließlich noch vor einem Treffen mit Stalin einen völlig neuen Ansatzpunkt für die Vorgehensweise gegenüber der Sowjetunion, und daraus resultierend ein wachsendes Selbstvertrauen für die eigene Machtposition.

Einige Tage nach seiner Amtseinführung hatte Kriegsminister Stimson dem neuen Präsidenten erstmalig in einer noch recht unkonkret gehaltenen Zusammenfassung über die in den USA schon seit 1942 laufende Entwicklung einer neuen, in ihrem Vernichtungspotenzial alle bisherigen Waffen in den Schatten stellenden Bombe, der Atombombe, berichtet.

Obwohl Truman bis zu diesem Zeitpunkt, ungeachtet der Tatsache, dass er unter Roosevelt ja bereits Vizepräsident war, nicht über dieses Waffenprogramm informiert worden war, war er sich, wie auch Stimson und auch der spätere Außenminister Byrnes, augenblicklich im Klaren über die politische und militärische Tragweite dieser Entwicklung.

Nicht nur schien jetzt endlich eine Waffe gefunden um Japan schnell, und im besten Fall ohne den befürchteten Einsatz von Bodentruppen auf dem japanischen Festland riskieren zu müssen, zur endgültigen Kapitulation zu zwingen, vielmehr noch bot die Tatsache, dass die USA alleinig im Besitz der Atombombe waren auch die einmalige und äußerst willkommene Chance die Sowjetunion nach monatelangen und sehr unbefriedigenden Verhandlungen über eine europäische Nachkriegsordnung in ihre Schranken zu weisen, und Stalin den Willen der westlichen Alliierten, in erster Linie den der Amerikaner, aufzuzwingen.

Dies würde die Verhandlungen der „großen Drei“, also zwischen Truman, Churchill und Stalin, die vor allem von Churchill für die allernächste Zeit geplant waren (d.h. spätestens im Juni 1945), und vor allem die Verhandlungsposition der westlichen Alliierten, bedeutend verändern, verbessern.

Truman sah sich nun nur noch mit dem Problem konfrontiert, dass eine erstarkte Machtposition ihre Rechtfertigung nur in der gelungenen Vollendung des Waffenprojektes, das heißt in einem positiv verlaufenden Test, finden konnte.

Dieser Test aber, ohne dass man schon von einem erfolgreichen Ergebnis ausgehen konnte, war von Juni auf Mitte Juli verschoben worden, weit nach dem Termin, den Churchill so eindringlich in zahlreichen Botschaften an Truman seit Mitte Mai gefordert hatte.

Trumans einzige Chance mit dem Joker in der Hand nach Potsdam zu fahren, war es aber, abzuwarten, und das wiederum forderte eine Hinhaltetaktik dergestalt, dass der Präsident gegenüber Stalin und Churchill verlautbaren ließ, er könne Washington in keinem Fall vor Ende des Haushaltsjahres (Ende Juni), also aus innenpolitischen Gründen, verlassen.

 

 

    • Die Potsdamer Konferenz

     

      • Trinity

Der Beginn für den Termin der Konferenz wurde schließlich auf den 16. Juli 1945 festgesetzt, einen Tag also nach dem Test der ersten Atombombe in der Wüste New Mexicos, der den bezeichnenden Namen „Trinity“, also Dreifaltigkeit, trug.

Da Stalin, bedingt durch einen leichten Herzinfarkt, erst einen Tag später, also am 17. Juli, in Potsdam eintreffen sollte, konnte Kriegsminister Stimson, den am Abend des 16. das erste, verschlüsselte Telegramm über den äußerst erfolgreichen Versuch erreicht hatte, Präsident Truman noch vor Beginn der offiziellen Sitzungen hierüber in Kenntnis setzten.

Truman und Churchill, der ebenfalls über „Trinity“ informiert wurde, waren sich augenblicklich der Bedeutung für ihre Verhandlungsposition bewusst. Nach den Hinhaltungen der vergangenen Wochen und dem vorhergehenden Scheitern einer direkten Kraftprobe mit der Sowjetunion, schienen beide nun den Schlüssel für eine europäische Lösung in ihrem Sinne, das heißt einer westlich orientierten und dominierten Nachkriegsordnung für Europa, in Händen zu halten.

Bei aller Freude blieb jedoch die Frage ob, und wenn ja, wann und wie man Stalin über die neue Entwicklung unterrichten sollte.

Dabei waren sich alle einig, dass der mit der Offenbarung verbundene Druck auf Stalin wohl zu dosieren war. Bedrängte man ihn zu deutlich und frontal, könnte dabei die Reaktion ebenso deutlich ein Abbruch jeglicher Verhandlungen und eine Verschärfung der Konfliktlinien zwischen den Alliierten nach sich ziehen. Da man dem Präsidenten auf der anderen Seite einen Einsatz der Waffe gegen Japan bereits empfohlen und diesen somit quasi beschlossen hatte, war Schweigen auch keine Lösung, da Stalin auf eine Konfrontation mit vollendeten Tatsachen ebenso unnachgiebig reagieren konnte. Auch eine Veröffentlichung der Testergebnisse von „Trinity“ und die nachfolgende Installation eines internationalen Kontrollgremiums zur Überwachung der militärischen Nutzung der Kernenergie war bereits im Entwicklungsstadium der Bombe besprochen worden, wurde aber von führenden Kreisen auch in Potsdam abermals zurückgewiesen.

Wie alle Quellen gleichlautend berichten, erfolgte die Offenbarung Trumans gegenüber Stalin dann am 24. Juli, und tatsächlich in äußerst beiläufiger Weise,   am Rande einer Sitzungsrunde und ohne amerikanischen Dolmetscher.

Truman berichtete Stalin in diesem kurzen Vier-Augen Gespräch zwar nicht, dass es sich bei der neuen Waffe um eine Atomwaffe handelte, hob aber sehr wohl ihr außerordentliches Zerstörungspotenzial hervor. Stalin brachte darauf einzig seine Freude über diese Entwicklung zum Ausdruck und wünschte sich von Truman, dieser möge von der Waffe einen guten Gebrauch gegen die Japaner machen.

Über Stalins zurückhaltende Reaktion auf die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten ist auch in der Wissenschaft viel diskutiert worden. Sowjetisches Geheimdienstmaterial aus jenen Tagen belegt aber inzwischen recht eindeutig, dass Stalin bereits seit geraumer Zeit, z.B. durch den Spion Klaus Fuchs, relativ eingehend über das amerikanische Atomwaffenprogramm informiert war, und sich dementsprechend nicht sonderlich verwundert, erstaunt oder begeistert zeigen musste.

Auch die Tatsache, dass zu keinem Zeitpunkt der Konferenz Nachfragen zu diesem Punkt von russischer Seite aufkamen, mag diese Einsicht belegen.

 

 

      • Trumans Politik gegenüber der Sowjetunion

Nachdem nun also die westlichen Alliierten mit Selbstbewusstsein in die Verhandlungen über das Nachkriegseuropa eintreten konnten, stand das entscheidende Szenario im Krieg in Asien noch bevor: der Kampf um Japan, und vor allem der Eintritt der Sowjetunion in diesen Krieg, wie er von amerikanischer Seite bislang stets gewünscht und erwartet worden war, und dem Stalin auch bereits seine Zustimmung erteilt hatte. Als Zeitpunkt des Eintritts war Mitte August vereinbart worden, und damit stand Truman nun vor einem Problem:

auf der einen Seite war das russische Eingreifen schon lange geplant und wurde auch bisher immer wieder als notwendig empfunden, auf der anderen Seite hatten die USA jetzt aber mit der Atombombe eine Waffe in Händen, die es ihnen erlaubte diesen Krieg ohne sowjetische Unterstützung zu gewinnen, und damit auch ein Ausweiten der sowjetischen Einflusssphäre in Asien zu verhindern.

Der politische Leitgedanke für die verbleibenden Tage in Potsdam ergab sich fast zwangsläufig aus den neuen Möglichkeiten der USA: es galt von nun an die Sowjetunion aus dem Krieg in Asien (d.h. deren Angriff auf japanische Truppen in der Mandschurei) herauszuhalten. Churchill  berichtete seinem Kabinett am 23. Juli: „Es ist völlig klar, dass die Vereinigten Staaten zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine russische Beteiligung am Krieg gegen Japan wünschen.“

Völlig klar war aber auch die Erkenntnis, dass man dieses Bestreben der Sowjetunion nicht unverblümt mitteilen konnte. Eine möglichst diplomatische Vorgehensweise musste ersonnen werden. Dies umso dringlicher, als Stalin Truman am 29. Juli durch seinen Außenminister Molotow überraschend mitteilen ließ, die Sowjetunion wünsche eine formale Anfrage der anderen alliierten zur Beteiligung Russlands am Krieg gegen Japan.

In diesem Augenblick war Truman gezwungen seine Abneigung gegen einen Kriegseintritt der Sowjetunion hinter diplomatischen Floskeln zu verbergen, und nach Beratungen mit seinem Außenminister entschloß er sich dazu, Stalin einen, die Form wahrenden, Brief zukommen zu lassen, in dem er feststellte, dass nach seiner Beurteilung die Charta der Vereinten Nationen (die zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht ratifiziert war) und die Moskauer Erklärung von 1943 es der Sowjetunion gestatten sollten, in den Krieg gegen Japan einzutreten.

Im Bewusstsein der begrenzten Aussagekraft dieser Erklärung formuliert Truman in seinem Begleitschreiben an Stalin: „(...) If you decide to use it, it will be all right. However, if you decide to issue a statement basing your action on other ground or for any other reason prefer not to use this letter, it will be satisfactory to me. I leave it to your good judgement.”

Bereits am 24. Juli hatte Truman den Befehl für den Bombenabwurf nach dem 3. August unterzeichnet und sich somit für einen Einsatz der Atombombe für den Zeitraum nach der Konferenz entschieden.

Da er sich somit relativ sicher sein konnte, dass die Sowjetunion, die ihren Waffengang ja für den 8. August angesetzt hatten, nicht mehr in diesen Krieg eingreifen würde, da Japan zuvor kapituliert haben sollte, konnte er sich die Unverbindlichkeit in seinem offiziellen Brief an Stalin aus dem Gefühl der Stärke heraus offensichtlich leisten.

Darüber hinaus war mit dem 24. Juli auch die Sinnhaftigkeit der Konferenz von Potsdam in seinen Augen hinfällig, da der Abwurf der Bombe und ihr Effekt ohnehin eine völlig neue und gestärkte Position der Vereinigten Staaten im Hinblick auf die Politik in Osteuropa und Asien gestatten würde. Es erschien nicht mehr notwendig in den ehemals so strittigen Fragen um jeden Preis zu einer Lösung  zu gelangen, im Gegenteil verschärften sich die Konfliktlinien eher noch.

Truman war jetzt gewillt Potsdam so schnell wie möglich zu verlassen.

 

 

      • Hiroshima, Nagasaki und der Eintritt der Sowjetunion in den Krieg

Am 6. August erfuhr der amerikanische Präsident an Bord der Augusta auf dem Weg zurück in die Vereinigten Staaten vom erfolgten Abwurf der ersten Atombombe über Hiroshima.

Nur drei Tage später, am 9. August 1945, trat die Sowjetunion in der Mandschurei in den Krieg gegen Japan ein. Truman schrieb dazu in seinen Memoiren: „This move did not surprise us. Our dropping of the atomic bomb on Japan had forced Russia to reconsider her position in the Far East.“

Am selben  Tag explodierte die zweite Bombe über Nagasaki, 140.000 Menschen verloren bei den Angriffen auf beide Städte, allein durch die Explosion und ihre direkte Folgen, ihr Leben, Hunderttausende starben noch in den Jahren danach an den Folgen der radioaktiven Strahlung. Nachdem die Sowjetunion in den Krieg eingetreten war, bedurfte es nun auch ihrer Zustimmung bei der Anerkennung der folgenden Kapitulation Japans, die sich auf die Potsdamer Erklärung vom 26. Juli berief. In der Ausarbeitung einer Nachkriegsordnung für Japan ließen die Amerikaner dabei keinen Zweifel daran, dass sie eine Situation wie in Deutschland, d.h. eine Einteilung in Zonen und geteilte Kontrollen, um jeden Preis vermeiden wollten.

Am 11. August stimmt Außenminister Molotow der japanischen Kapitulation und den Regelungen für die Nachkriegszeit zu.

Drei Tage später erreicht Truman über einen schweizerischen Gesandten die Mitteilung der japanischen Führung, dass diese zur Kapitulation bereit sei.

Der Krieg wird an diesem 14. August  1945 beendet.

 

  • Fazit/Schluss

„(...) I have become convinced that any demand by us for an internal change in Russia as a condition of sharing in the atomic weapon would be so resented that it would make the objective we have in view less probable. (…) I consider the problem of our satisfactory relations with Russia as not merely connected with but as virtually dominated by the problem of the atomic bomb. (…) The chief lesson I have learned in a long life is that the only way you can make a man trustworthy is to trust him; (…) My idea [is] to enter an arrangement with the Russians, the general purpose of which would be to control and limit the use of the atomic bomb as an instrument of war (…).”

 

Nicht einmal einen Monaten nach den Bombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki fasste Kriegsminister Henry Stimson am 11. September 1945 seine Gedanken über eine weitere Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und die damit Verbundene Notwendigkeit, auch das atomare Monopol in Frage zu stellen in einem Memorandum an Präsident Truman zusammen, aus dem auch das obige Zitat stammt.

Stimson hatte sich endgültig verabschiedet von der harten Haltung aus den Tagen vor und während der Potsdamer Konferenz und hatte darüber hinaus in diesem Memorandum auch einen mehr als deutlichen Hinweis auf die Verknüpfung zwischen der Atombombe und den Beziehungen zur Sowjetunion gegeben.

Für ihn stand nicht mehr allein die militärische Überlegenheit der USA mit dem Potenzial Druck auf die Sowjetunion in politischer Hinsicht ausüben zu können im Vordergrund, sondern vor allem die Frage nach den Langzeit-Konsequenzen auch im Hinblick auf eine Zeit da die Sowjetunion ebenfalls – und  durch eigene Forschung – im Besitz der Atombombe sein würde.

Präsident Truman machte sich diese Haltung nicht zu Eigen. Er folgte lieber den Ratschlägen seines Außenministers, wohl bewusst, dass damit das Wettrüsten seinen Anfang gefunden hatte.

Heute wissen wir mehr über die Gedanken, Pläne und Strategien der beteiligten Personen. Wir kennen viele Akten, die über Jahrzehnte verschlossen waren, wie zum Beispiel den Strategic Bombing Survey von 1946, in dem die Kapitulation Japans auch ohne Einsatz der Bombe, sehr wahrscheinlich sogar ohne einen Bodenkrieg in Japan und ohne sowjetische Beteiligung, bis spätestens Ende 1945 bevorstand.

Wir können uns fragen warum Präsident Truman gegen den ausdrücklichen Willen der Generäle Eisenhower, LeMay, MacArthur, Leahy  und anderen den Einsatz der Bombe forcierte.

Wir können uns mit der Frage beschäftigen, warum die Amerikaner in ihren Kapitulationsbedingungen an Japan in keinem Fall eine Garantie für den japanischen Kaiser aufnehmen wollten, der einzigen Punkt, der Japan daran hinderte schon wesentlich früher einer Kapitulation zuzustimmen, diese Garantie aber schließlich nach dem Abwurf der Bomben wieder Bestandteil der Kapitulation wurde.

Wir wissen aus den Tagebüchern der Politiker von der Sorge über eine politische Dominanz der Sowjetunion in Osteuropa und Deutschland und über die Vorstellung eine solche mit Hilfe der Bombe vermeiden zu können.

Ronald Takaki faßt die Situation im Sommer 1945 folgendermaßen zusammen: „Thus, the decision to drop the atomic bomb was made within a context of immens complexity. The military need to end the war, the political confrontation with Russia, and the cultural passions of rage crisscrossed dynamically.”

Mit dem Wissen von heute ist es relativ einfach die Entscheidung für den Einsatz der Bomben zu kritisieren. Aber wie wir gesehen haben gab es nicht den einen Grund, den einen Auslöser. Die Entscheidung wurde aus einem Geflecht äußerst komplexer Zusammenhänge innen-, wie

außenpolitischer, militär-, wie politikstrategischer, auf die Gegenwart ebenso wie auf die Zukunft gerichteter Art gefällt.

Nur einer, und vielleicht eben einer der wichtigsten Gründe, war der in dieser Arbeit betrachtete eines Machtbeweises gegenüber der Sowjetunion.

Es lässt sich schwer sagen wie die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts verlaufen wäre, wären diese Bomben nicht gefallen, hätte sich Truman zu einer offeneren Politik gegenüber Stalin entschieden.

Das amerikanische Atomwaffenmonopol jedenfalls währte nur bis zum 23. September 1949, die Sowjetunion hatte den Rüstungswettlauf aufgenommen.

Jegliche Entscheidung entsteht aus dem Wissen über Vergangenes und Gegenwärtiges. Wenn es die Zeit erlaubt, kann man sich Gedanken machen über die Auswirkungen in der Zukunft. Vielleicht war diese Zeit im Sommer 1945 nicht da, vielleicht wollte man sie sich auch nicht nehmen. Ganz bestimmt aber haben die Tage zwischen April und August 1945 die Welt verändert.

Entscheidung für den Einsatz der Bomben zu kritisieren. Aber wie wir gesehen haben gab es nicht den einen Grund, den einen Auslöser. Die Entscheidung wurde aus einem Geflecht äußerst komplexer Zusammenhänge innen-, wie

außenpolitischer, militär-, wie politikstrategischer, auf die Gegenwart ebenso wie auf die Zukunft gerichteter Art gefällt.

Nur einer, und vielleicht eben einer der wichtigsten Gründe, war der in dieser Arbeit betrachtete eines Machtbeweises gegenüber der Sowjetunion.

Es lässt sich schwer sagen wie die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts verlaufen wäre, wären diese Bomben nicht gefallen, hätte sich Truman zu einer offeneren Politik gegenüber Stalin entschieden.

Das amerikanische Atomwaffenmonopol jedenfalls währte nur bis zum 23. September 1949, die Sowjetunion hatte den Rüstungswettlauf aufgenommen.

Jegliche Entscheidung entsteht aus dem Wissen über Vergangenes und Gegenwärtiges. Wenn es die Zeit erlaubt, kann man sich Gedanken machen über die Auswirkungen in der Zukunft. Vielleicht war diese Zeit im Sommer 1945 nicht da, vielleicht wollte man sie sich auch nicht nehmen. Ganz sicher aber haben die Tage zwischen April und August 1945 die Welt verändert.

 

Literaturverzeichnis:

 

      • Alperovitz, Gar: Atomare Diplomatie: Hiroshima und Potsdam. München 1966
      • Ders.: Hiroshima:  Die Entscheidung für den Abwurf der Bombe. Hamburg 199
      • Byrnes James F.: All in one lifetime. New York 1958
      • Feis, Herbert: Zwischen Krieg und Frieden: Das Potsdamer Abkommen. Frankfurt am Main 1962
      • LaFeber, Walter: The origins of the cold war 1941-1947. New York 1971
      • Rhodes, Richard: Die Atombombe oder die Geschichte des 8. Schöpfungstages. Berlin 1990
      • Takaki, Ronald: Hiroshima: Why America dropped the Atomic Bomb. New York 1995
      • Truman, Harry S.: The Memoirs of Harry S. Truman, Volume One: Years of Decision, 1945. Great Britain 1955

Bibliographie:

 

      • Alperovitz, Gar: Atomic Diplomacy: Hiroshima and Potsdam. New York 1965
      • Feis, Herbert: Between War and Peace: The Potsdam Conference. Princeton 1960
      • Hershberg, James G.:James B. Conant: Harvard to Hiroshima and the making of the nuclear age. Stanford 1993
      • Holloway, David: Stalin and the bomb. The Soviet Union and atomic energy 1939-1956. New Haven 1994
      • Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR (Hrsg.): Die Potsdamer (Berliner) Konferenz der höchsten Repräsentanten der drei alliierten Mächte – UdSSR, USA und Großbritannien. Moskau/Berlin 1986

 

                        (kes)

 

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