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47. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
19. – 24.10.04
Eröffnungsfilme:
Useless Dog
von Ken Wardrop (Irland 2004)
Filmolog
von Kerstin Winter (Deutschland 2003/2004)
Touch the Sound
von Thomas Riedelsheimer (Deutschland/GB 2004)
Mit jugendlichem Charme tritt auf: Claas Danielsen, der neue Direktor des Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. In einem cremefarbenen Anzug und mit souveränen Bewegungen bereitet der Direktor einen furiosen Festivalauftakt vor, der durch eine Sonderauszeichnung und eine besonderen Wertschätzung des zu verabschiedenden Festivaldirektors Fred Gehler ebenso beeindrucken soll wie drei Filme, die den besonderen Charakter dieses Ereignisses unterstreichen sollen. Der Kulturbeigeordnete der Stadt Leipzig, Dr. Georg Girardet, hält eine kleine Festrede auf Fred Gehler, dessen Leistungen in elf Jahren stetiger Weiterentwicklung. Er lobt ausdrücklich und mehrfach die Gehlers Qualitäten und die Güte der Zusammenarbeit. Danach werden Blumen überreicht und Photos gemacht. Dann darf Fred Gehler reden. Gewohnt bissig würdigt er den Lobgesang des Kulturbeigeordneten mit keinem Wort und erwähnt dessen Namen nicht. Erinnerungen werden wach: war da nicht etwas letztes Jahr, im Zuge der Übergabe an einen neuen Direktor? Da war es zu scharfen Worten gekommen – freilich nicht von Dr. Girardet.
Aber Fred Gehler blieb sich auch dieses Mal treu und sparte nicht an Kommentaren. Er beschwört den „Mythos“ des Festivals herauf und ordnet sich damit in seine lange Tradition ein. In Anbetracht der diesjährigen Eröffnungsfilme – alle von hohem künstlerischem Wert, damit wir uns nicht falsch verstehen – wirkte die Aufzählung von verschiedenen ganz besonderen Filmen des Festivals aus den letzten zwanzig Jahren besonders stark. Der kleine Ausschnitt aus dem breiten Spektrum der Filme der letzten Jahrzehnte weist auf einen politischen, gesellschaftlichen neben dem künstlerisch ästhetischen Schwerpunkt hin. Wird der neue Direktor diese Erwartungen erfüllen können? Wird sich Claas Danielsen verweigern, wenn gefordert werden sollte, ein aktuelles Geschehnis ins Programm einzubauen, wie Fred Gehler es nach dem 11. September sowohl im 45. Dok-Festival wie auch im 46. Dok-Festival getan hat, weil weder 2001 noch 2002 die Maßstäbe erfüllt worden waren?
Claas Danielsen stellt in seiner Rede erstmal fest, daß er, wenn er sich auf der Leinwand in der Vergrößerung betrachtet, „asynchron“ spricht. Das ist schon mal eine interessante Feststellung. Weitere Reflexionen ergeben sich aus der Ansprache des Jungen vom Titelbild des Dok-Festivals, dem Danielsen den Namen „Xjaubing“ gibt, und mit dem er bespricht, welche Fragen sich beim Betrachten von Bildern und Filmen stellen. Das Gesicht von Xjaubing ist auf dem Plakat in Rot auf schwarzem Grund zu sehen, was Claas Danielsen zu einer Reihe von Fragen provoziert, von denen die erste „ist dein Gesicht rot vom Schein des Feuers?“ schon darauf hinweist, daß dieser Dialog besser an anderer Stelle geführt worden wäre. Mit der Aufforderung, Filme zu entdecken, „die das Herz schneller schlagen lassen“, schließt Danielsen seine Antrittsrede.
Dann grüßt noch der Frankreich-Direktor von Arte mit einer kleinen, charmanten Rede, in der er sowohl Giorgio Agamben zu Wort kommen läßt, wie auch Georg Christoph Lichtenberg. Die Reduktion des Betrachters auf einen Bilderkonsumenten wird dabei von ihm ebenso abgestraft wie die Konsumorientierung überhaupt. Seiner Meinung nach kann der Dokumentarfilm mit seiner „Ästhetik der Intelligenz“ da einiges zurechtrücken, beispielsweise auch die Ethik in verschiedener Völker in Beziehung zu einander stellen.
Useless Dog
Zwischenzeitlich wurde ein irischer Hund vorgestellt, dessen Besitzer, ein Bauer, ihm attestiert, einer zu sein, den man nicht zu viel gebrauchen kann. „Useless Dog“ ist der Auftakt der neuen Reihe „Life is terribly funny!“ und gibt einen Vorgeschmack auf erheiternde Betrachtungen, die auch einen anderen Blick auf die Dinge und auf die Welt ermöglicht. Dieser Hund jedenfalls ist ziemlich schreckhaft und unmotiviert beispielsweise die Schafe zu bewachen. Dafür ist er auch zu schreckhaft. Man kann es ihm nicht verdenken.
Filmolog
Filmolog ist ein aus Buchstaben zusammengesetzter Monolog, wie der Titel schon sagt. Die Bewegung der einzelnen Wörter und ihre Verschiebungen und Bewegungen erinnern dabei an Alexander Kluges Buchstabensuppen, die bisweilen sonntags und montags über die Privatsender RTL, VOK und SAT1 flimmern. Wie bei Kluge bietet diese Konzentration auf wenige Sätze interessante Spielmöglichkeiten.
Touch the Sound
Evelyn Glennie (http://www.evelyn.co.uk/) ist eine aus Schottland stammende Musikerin, die sich vor allem den Perkussions widmet. Teller tun es dabei ebenso wie Metallgegenstände inklusive Schrott. Sie vermag daraus eine avantgardistische Musik zu zaubern, die zu den Räumen, in denen sie verhallt, in exakter Beziehung steht. Die Central Station in New York ist dabei ebenso Konzerthalle wie ein japanisches Restaurant oder eine Kölner Fabrikhalle. Die besondere Beziehung Glennies zu den Räumen, in denen sie ihre Musik alleine oder mit Kollegen wie dem Musiker Fred Frith macht, rührt daher, daß sie die Töne eher als Schallwellen wahrnimmt, denn hört. Der Film spürt diesem bestimmten Hörvermögen nach und wirft z. B. die Frage auf, wieviel Rhythmus in der Luft liegt, wenn man durch eine Markthalle schreitet, in der verschiedene Angebote lautstark angepriesen werden.
(Max Bornefeld-Ettmann)
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