1979

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25.04.04

- 1979 –

Von Christian Kracht

SCHAUSPIELHAUS, ZECHE 1

Bochum

Mit Lucas Gregorowicz, Oliver Masucci und Maik Solbach

Regie Matthias Hartmann

 

My prayer – is a rapture in blue

 

Zu Beginn des Romans „1979“ feiert in Teheran die örtliche Schickeria in einer herrschaftlichen Villa mit eigenem „Haschwald“ eine orgiastische Party. Es ist das Ende des Schahs und der Anfang der Revolution. Krachts Protagonist, ein junger deutscher Innenarchitekt, ist mit seinem Freund, mit dem er gemeinsam den Iran bereist, Gast auf dieser Party, die das Leben der Anwesenden, speziell des Paares, verändern wird. Christophers Leben endet nämlich und Krachts Held findet seinen neuen Lebensinhalt in der Umrundung und Erklimmung des Berges Kailash in Tibet. Mit anschließendem Gefangenenlager in China endet der Roman.

 

Das Schauspielhaus Bochum entschloss sich 2003 zwei Jahre nach der Veröffentlichung des erfolgreichen Romans, diesen für die Bühne zu adaptieren. Seit der Uraufführung am 14. März 2003 wird das Stück vor regelmäßig ausverkauftem Haus an zwei bis drei Abenden im Monat gespielt. Als Aufführungsort wurde die allzu karge Zeche 1 gewählt, die den Charme einer Industrieruine versprüht und eher mit dem chinesischen Gefangenenlager korrespondiert als mit der luxuriösen Villa in Teheran.

 

Diese allerdings, und damit wären wir bereits beim Stück, wurde sehr originell mit der üppig eingesetzten Videotechnik durch Filmen einer Inneneinrichtungszeitschrift auf die Leinwand hinter der Bühne projiziert. Überhaupt wurde von dieser Simulationstechnik in der gesamten Inszenierung, natürlich auch bedingt durch die beengten Räumlichkeiten, sehr sinnvoll Gebrauch gemacht und damit alle Befürchtungen, das Stück würde als Hommage an Schliengensiefs „Freakstars“ oder ähnlich schlechte Videos verkommen, zerstreut.

 

Zweites Charakteristikum der Inszenierung ist der Einsatz des Musikers Karsten Riedel, der mit teilweise melancholischen, teilweise humorvollen Einlagen maßgeblich zum Gelingen des Abends beiträgt.

 

Schwächen leistet sich das Stück lediglich zu Beginn, als es als szenische Lesung anfängt und der Zuschauer eine solche für die nächsten zwei Stunden befürchtet – unbegründet. Zudem droht das Stück zeitweise in einen albernen Schwank abzudriften; diese wenigen Stellen werden vom Schauspieler-Trio jedoch gekonnt aufgefangen.

 

Wer Karten ergattert, darf sich glücklich schätzen.

 

 

 

(Demian Köster)

 

 

Empfehlung:

„1979“ von Christian Kracht

Hörbuch „1979“ gelesen vom Autor

 

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