Ungarn

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Ungarn – Von Mitteleuropa nach Zentraleuropa

 

Hamburg und Dresden durchfließt die Elbe, Prag die Moldau und Budapest wird von der Donau getragen. Budapest hat mit 1,8 Millionen mehr Einwohner als Prag (1,2 Mio.) und Wien (1,5 Mio.). Überhaupt ist Budapest imposant. Die ungarische Metropole läßt bei jedem Schritt an die große österreich-ungarische Zeit der k.u.k.-Monarchie denken. Vom großen Vielvölkerstaat, der von Böhmen bis nach Dalmatien und von der norditalienischen Po-Ebene bis nach Siebenbürgen und Galizien reichte, ist in Ungarn keine große ethnische Durchmischung geblieben. Mit 90% sind die Magyaren die große Mehrheit. Dreizehn Minderheiten sind 1990 als staatstragende Elemente in der Verfassung anerkannt worden, die größten unter ihnen sind Roma, Deutsche, Serben und Slowaken. Großer als alle Minderheiten zusammen ist die Anzahl ungarischer Juden, die sich allerdings nicht als Minderheit verstehen und daher 1990 den Minderheitenstatus ablehnten. – Mag die Mischung auch an den Zahlen der Bevölkerungsgruppen nicht ablesbar sein. Im Alltag hat man einen anderen Eindruck.

Im Zuge der von Michail Gorbatschow seit 1985 durchgeführten Perestroika kam 1987 in Ungarn eine neue Regierung unter Károly Grósz an die Macht und damit fing die Abwicklung des kommunistischen Regimes von János Kádár (1912-1989) an. Ungarn trat 1990 als erstes Land des ehemaligen Ostblocks dem Europarat bei. Der vormalige Außenminister Gyula Horn, der 1989 mit der Öffnung der ungarischen Grenzen nach Österreich einen entscheidenden Schritt zur Niederreißung des sogenannten Eisernen Vorhangs verantwortete, wurde 1994 Ministerpräsident. An die Politik Horns wurde unter veränderten Mehrheitsverhältnissen im Parlament 1998 von Viktor Orbán als Ministerpräsident angeknüpft. Seine Regierung führte 1999 Ungarn in die NATO. Im Jahr 2002 wurde Orbáns Partei, der Bund Junger Demokraten (FIDESZ), zwar zum zweiten Mal in Folge stärkste Fraktion. Eine Regierung unter Péter Medgyessy konnte aber eine Koalition aus Ungarischer Sozialistischer Partei (MSZP) und Bund Freier Demokraten (SzDSz) bilden. Nur sehr zögerlich findet die Regierung unter Medgyessy auf den Weg ihrer Vorgängerinnen unter Horn und Orbán, deren vordringlichste Ziele die Westintegration und die Regionalkooperation in Fragen der Minderheitenproblematik und der Auslandsmagyaren waren.

Makroökonomisch hat sich in Ungarn ein Ungleichgewicht eingestellt, vor allem was die Zusammensetzung des BIP, Zahlungsbilanz, Wechselkurs- und Zinsstabilität angeht. Mit etwas unter zwei Dritteln bestimmt der Dienstleistungssektor neben der Industrie mit etwa einem Drittel die Wertschöpfung des BIPs. Die Landwirtschaft trägt etwa 4% bei. Der Außenhandel weist verhältnismäßig konstante Wachstumsraten auf. Ein Ungleichgewicht ergibt daraus, daß der Import den Export überflügelt.

Die dem EU-Beitritt vorausgehende Rechtsangleichung hat Ungarn in hohem Maße erreicht. Verstärkte Anstrengungen sind in Teilbereichen notwendig. Die EU-Kommission äußert ernsthafte Bedenken zu vier Bereichen das Kapitel Landwirtschaft betreffend. (Vgl. Berichte der EU-Kommission zur EU-Erweiterung)

Mit der Erweiterung treten in diesem Jahr eine stattliche Anzahl stolzer Völker der Europäischen Union bei. Besonders stark aber ist der Stolz in Ungarn ausgeprägt. Nicht nur die traditionelle, würzige Küche und ein traditionsreicher Weinbau künden von besonderen ungarischen Eigenheiten. Im Umgang mit Ungarn drängt sich das Gefühl auf, einem ganz besonderen Menschenschlag begegnet zu sein. Das Selbstverständnis als ‚Schutzwall der Christenheit’ kündet davon.

Dieses Jahr kommt Ungarn dort wieder an, wo es in der mit dem Begriff Mitteleuropa belegten Vergangenheit schon war: im Herzen Europas – heute Kerneuropa genannt.

 

(Max Bornefeld-Ettmann)

 

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