Maxim Biller

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Maxim Biller liest aus „Bernsteintage“

 

Viel Nettes lässt sich sicher über Maxim Biller sagen, aber sicher nicht, dass Maxim Biller nett ist.Biller ist ein charmantes Arschloch, könnte man sagen, mit einem ausgeprägten Hang zur Ehrlichkeit.Wer „Esra“ gelesen hat, oder auch nur die in den Feuilletons des Landes durchdiskutierte Posse um verletzte Persönlichkeitsrechte verfolgt hat, weiß davon.

Maxim Biller kann auch anders – schreiben.

„Bernsteintage“ ist der Beweis dafür. Nichts aufdringlich biografisches macht die sechs Erzählungen aus, die dieser Band versammelt. Sie sind zurückhaltend und doch eindringlich, präzise aber einfach, in Bildern und in der Sprache, sie bewegen ohne wirklich zu erschüttern und viele sind, Verzeihung, einfach nur schön. Wahrlich durchweht Sehnsucht „diese schönen, zarten Geschichten“ (Klappentext). Es geht um Kindheiten und Jugend, verpasste, endgültig vertane Möglichkeiten, um Hoffnungen und um Erinnerungen an Schönes und Schlimmes in bewegten und unbewegten Zeiten.

Nun, wenn man also „Esra“ nicht gelesen hat und auch sonst von Maxim Biller bisher verschont geblieben ist – das schließt einen Blick auf das kleine Bild von ihm, mit Anglermütze, Fluppe, Hornbrille, im Poloshirt und vor undefinierbarem Hintergrund, wohl ein – dann kann man vielleicht an diesem Spätwinterlichen Abend im Landesmuseum Münster einen wirklich netten Mann erwarten – und dann enttäuscht sein, oder gar schockiert.

Maxim Biller nämlich ist wie er aussieht – nicht nett.

Keine Chance lässt er dem Moderator des Abends oder dem Publikum dieses oder andere seiner Werke zu (über)interpretieren. Gestik und Mimik, sein Tonfall, alles sträubt sich und zeugt von seinem Unmut an diesem Abend mehr als durch die Worte seines Buches zu sprechen.

„Der echte Liebermann“ heißt die Erzählung die Biller liest. Komplett. Es ist seine Lieblingserzählung und seine beste Erzählung dazu, sagt er, und er hat Recht. Und es ist eine sehr lange Geschichte, an deren Ende und nach einigen (nervenden) Nachfragen seine Frage, ob wir denn nicht alle müde wären und nach Hause wollten, Bestand hatte. Ja, man ist es, aber das hört man selten und ist vielleicht irritiert von soviel Ehrlichkeit. Man möchte sitzen bleiben allein um zu sehen was deshalb passiert. Man möchte dumme Fragen stellen, immer und immer wieder, allein um zu sehen was so aus Maxim Biller wird. Aber keiner hatte mehr eine Frage zu stellen, vielleicht war alles gesagt, vielleicht hatten alle Angst. Wirklich gehen aber wollte, schien es, doch keiner.

Biller war so wenig nett, keinen Stift zum Signieren dabei zu haben – ich war so nett ihm meinen zu leihen.

Fazit:

Der Autor ist der Star – leider.

Und:

Wer Menschen wie Maxim Biller zu Freunden hat, der braucht wahrlich keine Feinde mehr. 

Und:

Das Buch ist zu kaufen und zu lesen. Das Bild von Biller ist im Notfall zu überkleben.

 

(kes)

 

 

 

Maxim Biller, Bernsteintage, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2004, 17,90€  

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