Die Wut und der Stolz

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Oriana Fallaci: Die Wut und der Stolz, Berlin: List 2002.

 

Oriana Fallaci, eine v.a. in den 70er und 80er Jahren zu großer Berühmtheit gelangte Journalistin, vertritt in dieser Polemik die These, daß die Verteidigung gegen die Angriffe des 11. September 2001 richtig ist. Neben der Ideologie des Islamismus greift sie jene an, welche für eine gewaltlose Reaktion auf die Angriffe plädieren.

 

Fallaci kann man Ahnungslosigkeit nicht vorwerfen: Von Khomeini über König Hussein bis Arafat interviewte sie zahlreiche führende Persönlichkeiten des Nahen Ostens und kommentierte deren Äußerungen stets klug und kenntnisreich.

 

Fallacis Wut auf Apologeten des Feindes, wie sie u.a. in Teilen der Friedensbewegung zu finden sind, ist verständlich. Ihre aufrichtige und unapologetische Ablehung der islamistischen Ideologie ist beispielhaft und anerkennenswert.

 

Umso trauriger ist es, daß Fallaci sich vollkommen im Ton vergreift. Sie steigt auf das Niveau einer Pamphletistin herab und schafft es dabei noch, sogar Noam Chomsky zu unterbieten.

 

Ärgerlich ist vor allem ihr Mangel an sprachlicher Disziplin, wie er in dieser Schrift zum Ausdruck kommt. Ihre Ausführungen sind letzlich nur eine willkürliche Aneinanderreihung von Wutausbrüchen und Entgleisungen über "moslemische Horden", die sich "wie die Ratten vermehren". Hier ist das Ende der Toleranz erreicht, die jeder Polemik zu gewähren ist. Hier poleminisert Fallaci nicht gegen eine feindliche Ideologie, sondern sie hetzt gegen unbeteiligte Menschen. Man könnte ihre Ausbrüche dadurch entschuldigen, daß sie unmittelbar nach dem 11. September unter dem direkten Eindruck der Anschläge entstanden sind, welche die Autorin in New York miterlebte. Solcherlei Entschuldigungen sind jedoch Fehl am Platze; Fallaci hätte sich jederzeit korrigieren können. Ihr muss klar sein, daß sie die volle Verantwortung trägt für das, was sie zu Papier gebracht hat.

 

Fallacis Ausführungen sind jedoch nicht nur sprachlich inakzeptabel. Einen Krieg zu führen, der aus Haß gespeist wird, ist falsch; moralisch wie politisch. An keiner Stelle verschwendet die Autorin auch nur einen Gedanken an die Frage, wie der Gegner definiert werden kann und wie er am besten zu treffen ist. Man gewinnt den Eindruck, daß ihr jedes Ziel recht wäre, solange es eine wie auch immer geartete Verbindung zum Islam hat. Eine derart groteske Unvernunft hätte Fallaci niemand zugetraut, der ihre Reportagen kennt.

 

Zu dem von ihr gewählten Thema trägt sie nichts bei. Auf die Frage, warum der Westen es verdient, verteidigt zu werden, ist der Verweis auf die Hautfarbe der Angreifer einfach die falsche Antwort.

 

Insgesamt hat Fallaci der von ihr vertretenen Idee einen Bärendienst erwiesen. Wie der Rezensent bereits an anderer Stelle bemerkte: Die Frage nach der geistigen Selbstbehauptung des Westens ist eine der Kernfragen unserer Zeit; eine Frage von so hoher Bedeutung, daß sie nur auf höchstem Niveau diskutiert zu werden verdient. Fallacis Beitrag zu diesem Thema ist der Beachtung nicht wert.

 

Simon Wunder

 

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